Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (Az. 14 SLa 145/25) sorgt für Aufmerksamkeit – gerade in der Gastronomie. Ein Mitarbeiter wurde fristlos gekündigt, weil er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) aus dem Internet vorlegte, ohne jemals mit einem Arzt gesprochen zu haben. Das Gericht bestätigte die fristlose Kündigung. Für Gastronomie-Unternehmer ist das wichtig: Es geht um Vertrauen, klare Prozesse bei Krankmeldungen und den Schutz vor Missbrauch der Entgeltfortzahlung.

Der Fall im Überblick: Attest ohne Arztkontakt

Ein IT-Consultant meldete sich krank und kaufte online ein Attest ohne Arztgespräch. Er füllte nur einen Fragebogen aus, erhielt schnell per E-Mail eine Bescheinigung, die wie ein „gelber Schein“ aussah. Es gab keinen Hausarzttermin, kein Telefonat, keine Videosprechstunde. Die Personalabteilung zweifelte die AU an: In der elektronischen Meldung der Krankenkasse war keine eAU hinterlegt. Als „Arzt“ war ein „Privatarzt per Telemedizin“ ohne deutsche Adresse angegeben – nur mit WhatsApp und E-Mail. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos. Das Arbeitsgericht Dortmund sah zunächst eine Abmahnung als ausreichend an. In der Berufung entschied das LAG Hamm jedoch: Die fristlose Kündigung ist wirksam.

Relevanz für die Gastronomie: Schichten, Qualität, Vertrauen

Restaurants, Bars, Cafés und Caterer arbeiten mit engen Schichtplänen. Kurzfristige Ausfälle treffen den Betrieb hart: Servicequalität leidet, Gäste warten länger, Umsätze sinken. Arbeitgeber müssen sich auf die Echtheit von Krankmeldungen verlassen können. Das Gericht sagt klar: Eine AU ohne Untersuchung – weder persönlich, per Video noch Telefon – hat keinen verlässlichen Beweiswert. Wer ein solches Attest nutzt, täuscht den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit und verletzt massiv das Vertrauen. In der Gastronomie ist dieses Vertrauen besonders wichtig, weil Teamarbeit und verlässliche Dienstpläne den Tagesablauf bestimmen.

Rechtliche Kernaussagen: Warum die Kündigung hielt

Die Richter begründeten ihr Urteil mit der schweren Pflichtverletzung des Mitarbeiters. Er habe bewusst den Eindruck erweckt, ein Arzt habe seine Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Das Attest wirkte äußerlich seriös und verwendete Begriffe wie „Fernuntersuchung“, obwohl kein Arztkontakt stattfand. Nach deutschen Regeln darf eine Krankschreibung nur nach echter ärztlicher Einschätzung erfolgen – in der Praxis, per Video oder zumindest nach telefonischer Anamnese. Der Anbieter des Online-Attests hatte selbst darauf hingewiesen, dass bei der günstigen Variante kein Gespräch stattfindet und der Beweiswert gering ist. Der Mitarbeiter wusste also um das Risiko und handelte trotzdem. Aus Sicht des Gerichts untergräbt dieses Verhalten das System der Entgeltfortzahlung und zerstört das Vertrauensverhältnis. Eine Abmahnung war deshalb nicht nötig.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber: Prüfen, dokumentieren, handeln

Für Gastronomie-Unternehmer ergeben sich daraus klare Handlungsempfehlungen. Erstens: Prüfen Sie Auffälligkeiten bei Krankmeldungen sorgfältig. Ein Attest von einem „Privatarzt per Telemedizin“ ohne Praxisangaben, eine fehlende eAU in den Krankenkassensystemen oder Kontaktinformationen nur über Messenger sind Warnzeichen. Dokumentieren Sie die Hinweise, machen Sie Screenshots und halten Sie Rückmeldungen der Krankenkasse fest. Zweitens: Handeln Sie zügig. Die Frist für eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB beträgt zwei Wochen ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände. Leiten Sie verdächtige Fälle schnell an die Geschäftsführung oder Personalverantwortliche weiter. Drittens: Entscheiden Sie im Einzelfall, ob Abmahnung oder Kündigung angemessen ist. Bei arglistiger Täuschung über die Arbeitsunfähigkeit kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Berücksichtigen Sie dennoch Betriebszugehörigkeit, bisheriges Verhalten und Einsicht des Mitarbeiters. Ziehen Sie bei Unsicherheit rechtlichen Rat hinzu.

Prävention im Betrieb: Klare Regeln und transparente Kommunikation

Ebenso wichtig ist Prävention. Informieren Sie Ihr Team in klarer, einfacher Sprache: Eine „Krankschreibung ohne Arztkontakt“ wird nicht akzeptiert. Erklären Sie, welche Wege in Ordnung sind – Hausarzt, Videosprechstunde oder telefonische Anamnese mit einem echten Arzt. Schulen Sie Ihre Schichtleitungen und die Personalstelle, eAU-Meldungen zu prüfen und Auffälligkeiten zu melden. Das schafft Transparenz und verringert Konflikte. Bleiben Sie dabei sachlich: Nicht jede ungewöhnliche Krankmeldung ist Betrug. Wenn Zweifel bestehen, kann die Einschaltung der Krankenkasse oder des Medizinischen Dienstes helfen, die Situation zu klären.

Hinweise für Mitarbeitende: Seriöse Wege nutzen

Auch für Mitarbeiter in der Gastronomie ist das Urteil ein wichtiges Signal. Nutzen Sie nur seriöse, ärztlich abgesicherte Wege für eine Krankmeldung. Dokumentieren Sie Symptome, gehen Sie zum Arzt oder nutzen Sie eine Videosprechstunde. So behalten Ihre Atteste ihren Beweiswert, und es gibt keine Missverständnisse. Ein vermeintlich schneller, billiger Online-Weg ohne Arztkontakt ist riskant und kann den Job kosten – selbst bei tatsächlichen Beschwerden. Ehrlichkeit schützt die Vertrauensbasis im Team und die Qualität gegenüber Gästen.

Online-AU: Rechtssicherheit stärken, Betrieb stabil halten

Das Urteil des LAG Hamm stärkt die Rechtssicherheit für Arbeitgeber und zeigt klare Grenzen. Für die Gastronomie bedeutet es: Verlässliche Krankmeldungen sind Teil eines fairen und stabilen Betriebs. Wer den Beweiswert einer AU bewusst unterläuft, riskiert schwerwiegende Konsequenzen. Mit klaren Prozessen, schneller Prüfung und guter Kommunikation lassen sich Risiken reduzieren. So bleiben Dienstpläne stabil, die Servicequalität gesichert und die wirtschaftliche Basis Ihres Betriebes geschützt – zum Nutzen Ihrer Gäste und Ihres Teams.
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/hamm/lag_hamm/j2025/14_SLa_145_25_Urteil_20250905.html

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