The Life of Pie oder vom Schattendasein einer britischen Köstlichkeit

Pie - Gastronomie-JournalSeit jeher übt das britische Flair auf Menschen in der ganzen Welt eine besondere Anziehungskraft aus, strahlt es doch zeitlose Eleganz und Klasse aus. Allerdings gibt es einen Haken: So gut der Ruf der englischen Lebensart, so schlecht ist leider das Renommee der britischen Küche. Wir plädieren dafür, mit Vorurteilen aufzuräumen und die Gäste mit britischen Klassikern wie der Pie auf sich aufmerksam zu machen. Denn: Italienische Wochen waren gestern.

Keine Angst vor Englischer Küche

An dieser Stelle soll eine Lanze für herzhafte, gebackene Pasteten aus dem angelsächsischen Kulturraum – oder auch Pies – gebrochen werden. Denn: Pies haben in Deutschland keine Lobby. Es ist erstaunlich, wie häufig Menschen angesichts einer Erwähnung angewidert das Gesicht verziehen. Eigentlich unverständlich, denn die gängigsten Pie-Varianten bestehen aus Zutaten, die auch in der traditionellen deutschen Küche heimisch sind.

Viele Deutsche stellen sich vor, dass Pies vor allem Tiereingeweide enthalten. Schuld daran ist vermutlich der Pie-Klassiker „Steak & Kidney Pie“, der neben Rindfleisch meist Niere enthält.

Und sicherlich war es zu früheren Zeiten auch üblich, in den Pasteten die Teile des Tieres unterzubringen, die anderweitig keine Verwendung fanden. Heutzutage sind solche Zutaten allerdings im urbanen Großbritannien eher unüblich. Dennoch: Man sieht nicht, was drin ist. Und das macht die Deutschen offenbar skeptisch.

Schade eigentlich, denn Pies könnten hierzulande so manche Speisekarte bereichern. Hier die populärsten Pie-Varianten: Dreifaltiger Klassiker: Shepherd‘s Pie – Cottage Pie – Fisherman’s Pie

Sherperds Pie - Gastronomie-JournalDieses Gericht ist eigentlich ein Auflauf und besteht grundsätzlich aus zwei Schichten. Die untere besteht aus mit Sellerie, Zwiebeln, Erbsen und Karotten angebratenem Lamm- bzw. Rinderhack oder Fisch, die obere aus einer Mischung aus Kartoffelstampf und geriebenem Käse. Neben Salz, Pfeffer und Lorbeerblättern darf die britische „Nationalwürze“ Worcestershire Sauce an der Fleisch- bzw. Fischmischung nicht fehlen. Der Pie wird für ca. 20 Minuten bei 200° im Ofen gebacken, bis die Kartoffel-Käse-Haube beginnt, braun zu werden.
Mindestens eine der drei Varianten ist aus der Speisekarte eines klassischen Englischen Pubs oder Inns nicht wegzudenken. Immer häufiger findet sich dort auch „Gardeners Pie“ – das vegetarische Pendant.

Beef and Guinness Pie

Diese aus Irland stammende Fleischpastete hat durch seinen Teigdeckel die – zumindest für uns Festlandeuropäer – typische Pie-Optik. Der Name sagt es eigentlich schon: Er enthält Rindfleisch und das irische Nationalgetränk. Dabei ist er kein Gericht für ungeduldige Gemüter: Das Rindfleisch wird mit Zwiebeln und Knoblauch angebraten, mit Guinness und Brühe abgelöscht und dann für 2 Stunden geköchelt. Danach geht‘s mit dem Teigdeckel ab in den Ofen, wo er noch einmal 25 Minuten braucht. Doch das Warten macht sich bezahlt: Das Ergebnis ist ein knuspriger Teigmantel mit einer herrlich zarten Fleisch-Füllung. Ein absoluter Genuss – nicht nur für Liebhaber des dunkelbraunen Gerstensafts.

Pork Pie

Die Schweinefleisch-Pasteten kommen eher unscheinbar daher, denn auch bei ihnen sieht man erst einmal nur Teig auf dem Teller. Trotzdem ist die Popularität von Pork Pies in Großbritannien ungebrochen. Gern werden sie auch in Miniaturvariante als kleine Snacks gereicht. Die Füllung besteht zum einen aus einem Gelee, das unter anderem aus Knochen gekocht wird und einem festen Fleischteil, zumeist aus Schweineschulter. Den für das Gelee traditionell hergenommene Schweinefuß kann aus ästhetischen Gründen auch getrost weggelassen werden. Andererseits gibt es auch in Deutschland einen zunehmend stärker werden Trend, im Sinne der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, das ganze Tier zu verarbeiten. Hier liegt die Entscheidung beim Koch.
Pork Pies haben aber nicht nur eine kulinarische Bedeutung. In England kann es einem passieren, dass man gebeten wird, keine „Porky Pies“ zu erzählen. Dies klingt zunächst nach Nonsens, aber wer schon einmal von dem in Ost-London bekannten „Cockney Rhyming Slang“, einer Art Code-Sprache der Arbeiterschicht, gehört hat, dem fällt auf: Porky Pies reimt sich auf „Lies“, dem englischen Wort für Lügen. Und genau dafür steht der ungewöhnliche Begriff, wenn er heute verwendet wird.

Pies für alle

Natürlich gibt es noch unzählige weitere Variationen herzhafter Pies, vor allem auch im vegetarischen oder veganen Bereich. Hier ist die Kreativität eines jeden Kochs gefragt.
Fest steht, dass sich Pies sehr gut vorbereiten und (tiefgekühlt) lagern lassen. Sie können sowohl Beilage als auch Hauptgericht sein und lassen sich gut mit ansprechenden Gemüsebeilagen kombinieren.

Nutzen Sie die Chance, mit britischem Charme neue Gäste zu gewinnen, wenn am 15. Juni die farbenfrohen Truppen auf dem Exerzierplatz nahe des Buckingham Palace einreiten und –marschieren.