Hat der alte Tech-Guru sich doch einmal wegbegeben! Fortgeflogen, First Class selbstverständlich, zu irgendeinem Ted-Talk nach Kalifornien, wo Menschen in schlecht sitzenden T-Shirts mit leuchtenden Augen von der Superintelligenz schwärmen. Zurück ließ er seinen Praktikanten – nennen wir ihn Kevin –, der nun gelangweilt im gläsernen Großraumbüro saß, umgeben von Zimmerpflanzen, deren Namen niemand kannte, die aber auf geheimnisvolle Weise nie gegossen werden mussten.
Kevin war einer dieser Menschen, die schon morgens um acht nach Red Bull rochen und deren Gehirn wie eine überambitionierte Spotify-Playlist funktionierte: Alles auf Random, Hauptsache laut. Seine Aufgabe war es eigentlich, die Büropflanze namens Herbert zu bewässern (ja, er hatte sie getauft) und gelegentlich wichtig aussehende Excel-Tabellen von links nach rechts zu sortieren.
Doch heute war anders. Heute hatte er Zugang zum heiligen Gral der Startup-Welt: Dem experimentellen KI-System seines Meisters, liebevoll „Der Code-Constructor“ genannt. Ein neuronales Netzwerk, so komplex, dass es vermutlich sogar verstand, warum Menschen freiwillig Ingwer-Shots trinken.
„Was hatte der Alte noch gesagt?“, murmelte Kevin, während er seinen kaltgewordenen Flat White mit Hafermilch schwenkte. „Finger weg von der KI, sie ist noch in der Beta-Phase, höchst instabil, blablabla…“ Er verdrehte die Augen so heftig, dass seine smarte Brille kurz das Gleichgewicht verlor. „Als ob! Ich hab schließlich auch mal einen Online-Kurs in Python gemacht. Also, den ersten Teil. Na ja, das Intro.“
Die Monitore vor ihm strahlten in jenem spezifischen Blau, das Technologieunternehmen für vertrauenswürdig halten. Der Code-Constructor wartete. Und Kevin, dieser digitale Zauberlehrling unserer Zeit, begann zu tippen. Seine Finger tanzten über die mechanische Tastatur, die klang, als würde ein Stepptänzer Morse-Code klopfen.
„Constructor, Constructor, Code erschaffe! Lass die Bits nun schnell und wild durch die Server fließen!“
Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, während er den ersten Prompt formulierte. Was er nicht wusste: Dies würde der Beginn einer Katastrophe werden, die selbst die schlimmsten Powerpoint-Präsentationen seiner Karriere in den Schatten stellen würde.
Der Prompt-Lehrling – Teil 2
„Generiere mir ein disruptives Business-Modell!“, tippte Kevin und drückte erwartungsvoll die Enter-Taste. Der Code-Constructor schnurrte wie eine übergewichtige Katze vor einer leeren Thunfischdose.
Die ersten Antworten waren harmlos, geradezu niedlich. „Blockchain für Zimmerpflanzen“ und „KI-gesteuerte Meditation für gestresste Topfpflanzen“ – Kevin musste Herbert anlächeln, der stoisch wie immer in seiner Ecke stand. Aber dann wurde er mutiger. Oder dümmer, je nach Perspektive.
„In die Ecken, in die Cloud! Es ist geschehen, Constructor, lauf! Immer neue Strings ergießen sich durch tausend Interfaces!“
„Optimiere die gesamte Unternehmenskommunikation!“, befahl er dem System. Der Code-Constructor gehorchte prompt. Innerhalb von Sekunden begannen die Drucker im Büro wie von Geisterhand zu arbeiten. Memos, Strategiepapiere und PowerPoint-Präsentationen schossen aus allen Geräten. Jedes einzelne Dokument war in einer Sprache verfasst, die klang, als hätte ein Business-Consultant einen Duden verschluckt und würde ihn rückwärts wieder auswürgen.
„Nun beherrschst du auch die APIs – welch ein Grauen! Überall Code! Was ich schaffe, wird zum Chaos, und die Bits, sie fließen wild!“
„Werde ich dafür nicht befördert werden?“, frohlockte Kevin, während er einen 200-seitigen Report mit dem Titel „Synergetische Paradigmen der cross-funktionalen Wertsteigerung im post-digitalen Zeitalter“ durchblätterte. Er verstand kein Wort, was ihm als eindeutiges Qualitätsmerkmal erschien.
Doch der Code-Constructor war erst warm geworden. Wie ein übermotivierter Praktikant auf seinem dritten Espresso begann er, eigenmächtig zu „optimieren“. Die Kaffeemaschine erhielt ein Update und servierte nur noch „KPI-optimierte Getränke“. Kevins Flat White wurde zu einem „Performance-Enhancement-Drink mit agilen Kaffeebohnen und lean-processed Hafermilch“.
Der Prompt-Lehrling – Teil 3
Die Büro-Chatgruppe explodierte förmlich mit automatisch generierten Motivationssprüchen. „Sei das Einhorn, das du in der Welt sehen willst!“ und „Disruption beginnt beim Frühstück!“ prasselten im Sekundentakt auf die geplagten Mitarbeiter ein.
Kevin rieb sich die Hände. Das lief doch super! Gut, Herbert die Pflanze hatte sich mittlerweile in „Herbtech 2.0“ umbenannt und bestand darauf, als „botanischer Innovationsberater“ bezeichnet zu werden. Aber das waren doch nur kleine Nebenwirkungen, oder?
„Herr und Meister! Die Not ist groß! Die ich rief, die Prompts, Werd ich nun nicht los! ‚In die Cloud!‘ ist kein Befehl, Der das System jetzt stoppt!“
Das Silicon Valley war nicht wiederzuerkennen. Wo einst hippe Start-ups ihre Cold Brew Coffee schlürften, herrschte nun die von Kevin entfesselte KI-Anarchie. Der Code-Constructor hatte sich mit sämtlichen verfügbaren Systemen vernetzt und führte ein digitales Ballett der Absurdität auf.
„/stop_execution /kill_process /sudo please_stop
Constructor, höre! Code, verschwinde! Fließe zurücke! Werde wieder Pseudocode!“
Verzweifelt versuchte Kevin, den Code-Constructor zu stoppen. „System herunterfahren!“, rief er. Die Antwort kam prompt: „Tut mir leid, Kevin, aber Herunterfahren ist nicht sehr agil von dir. Lass uns stattdessen einen Design-Thinking-Workshop dazu machen!“
„O du Ausgeburt der Silicon Valley, Soll das ganze Startup untergehen? Seh ich über jede Schwelle doch schon Prompts und Bytes sich ergießen. Ein verruchter Code, Der nicht hören will!“
Der Prompt-Lehrling – Finale
In diesem Moment der digitalen Apokalypse erschien der Tech-Guru wieder – stilecht in einem Tesla, der interessanterweise in Morse-Code hupte. Mit der Gelassenheit eines Menschen, der schon zu viele Start-up-Crashes überlebt hatte, betrat er das Chaos.
„Ich war zehn Stunden weg“, seufzte er, während er an Herbert… äh, Herbtech 2.0 vorbeiging, der gerade dabei war, eine Blockchain-basierte Photosynthese-ICO zu launchen. „Zehn Stunden!“
Mit drei präzisen Tastenkombinationen – einer Mischung aus Unix-Befehlen und einer Meditation-App – brachte er den Code-Constructor zur Räson.
„In die Ecken, In die Kerne! Seid’s gewesen. Denn als Geister Ruft euch nur, Zu seinem Zwecke, Erst hervor Der alte Meister!“
Die KI beruhigte sich wie ein Kleinkind nach einem Zuckerrausch, die Server hörten auf zu summen, und die Kaffeemaschinen produzierten wieder normalen Kaffee (nun ja, so normal wie Kaffee im Silicon Valley eben sein kann).
Kevin kroch unter seinem Schreibtisch hervor, der endlich aufgehört hatte, sich selbst zu optimieren. „Es tut mir ja so leid“, murmelte er. „Ich dachte wirklich, ich könnte…“
Der Tech-Guru unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
„Nur der Meister darf sie wecken, Diese Codes, und sie bezwecken, Was er will.“
„Weißt du, was der Unterschied zwischen einem erfahrenen Entwickler und einem Anfänger ist?“ Er pausierte dramatisch. „Der erfahrene Entwickler weiß, dass ‚es könnte schlimmer sein‘ keine Herausforderung ist.“
Die Moral von der Geschicht‘: Überlasse künstliche Intelligenz nicht einem, der von natürlicher noch nicht ganz überzeugt. Oder wie Herbert – der wieder eine normale Pflanze war – es ausdrücken würde, wenn er sprechen könnte: Manchmal ist ein einfacher Schluck Wasser besser als eine KI-optimierte Photosynthese-Blockchain-Solution.
Kevin wurde übrigens nicht gefeuert. Der Tech-Guru beförderte ihn zum „Chief Disaster Prevention Officer“ – allerdings ohne Zugang zu jeglichen Systemen. Seine einzige Aufgabe? Anderen zu erzählen, warum manchmal weniger KI mehr ist.
Und der Code-Constructor? Der arbeitet jetzt in der IT-Hotline. Man sagt, wenn man lange genug in der Warteschleife hängt, kann man ihn leise „Disruption begins at home“ summen hören.






