Ein Gastbeitrag von Martin Meyer-Gossner
Der Corona-Lockdown hat viele Kleinunternehmen auf der ganzen Welt gezwungen, ihre Türen vorübergehend zu schließen. Um zu überleben, blieb Inhabern nichts anderes übrig, als schnell zu reagieren: Selbst Lokale ohne Lieferservice mussten plötzlich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ihre Gäste weiterhin auswärts aßen – allerdings daheim.


Vor diesem Dilemma stand auch das amerikanische Hotdog-Restaurant für Feinschmecker J. Dawgs, das im Bundesstaat Utah ein halbes Dutzend Filialen betreibt. Statt seine Gäste vor Ort zu bewirten, verkaufte J. Dawgs Do-it-Yourself-Hotdog-Kits. Die Hotdog-Pakete konnten von den Kunden abgeholt und mit nach Hause genommen werden. Es dauerte nicht lange, bis an immer mehr Orten J. Dawgs-Imbisswagen auftauchten, um auch den letzten ans Haus gefesselten Kunden zu erreichen.


Als die Gaststätten wieder öffnen durften, stand J. Dawgs erneut vor einer Entscheidung: Sollte das Unternehmen zu seinem alten Konzept zurückkehren oder sein neues Geschäftsmodell weiterentwickeln?


Befragungen zur Customer Experience (CX) zeigten, dass ohne das Takeaway-Angebot 72 Prozent der Hotdog-Kit-Käufer während des Lockdowns nicht bei J. Dawgs gegessen hätten. Sie wünschten sich die Kits auch nach der Wiedereröffnung. Außerdem ging aus den Daten hervor, dass sich die mobilen Imbisswagen großer Beliebtheit bei den Kunden erfreuten, die sie gerne noch häufiger gesehen hätten.


J. Dawgs ist nicht der einzige Betrieb, der eine heikle Entscheidung treffen muss. Viele wiedereröffnete Lokale fragen sich, wie sie nicht nur die Gesundheit ihrer Gäste schützen, sondern auch einen besseren Service als zuvor bieten können.


Der Zeitpunkt für die Neuorientierung ist ideal. Doch trotz der vielbeschworenen „neuen Normalität“ nehmen viele Betriebe die Gelegenheit nicht wahr, stärker aus der Krise herauszukommen, und ein „neues Besser“ zu etablieren.


Die Customer Experience im Blick behalten
Noch im Mai meinten 68 Prozent der Teilnehmer einer Qualtrics-Studie, es sei ihnen nicht wohl dabei, in einem Lokal zu essen. Zwei Monate später war diese Zahl um 23 Prozentpunkte auf 45 Prozent gesunken – die Hälfte der Amerikaner hatte kein Problem mehr damit, auswärts essen zu gehen.


Nach Aussagen der Gäste gab es drei grundlegende Maßnahmen, die sie wieder zu einem Restaurantbesuch bewegten: die Aufstellung der Tische im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand, die Einhaltung des Social Distancing und das Tragen von Handschuhen und Masken durch die Angestellten.

In einer weiteren, im August durchgeführten Studie, waren viele Mitarbeiter der Ansicht, dass die pandemiebedingten Änderungen von Dauer sein würden. Der Grund: Die Betriebe hätten so die Chance, ihren Service zu verbessern.


80 Prozent des Personals im Reise- und Gastronomiebereich denkt, dass auch lange nach Ende der Pandemie Sauberkeit ein wichtiges Thema sein wird. 70 Prozent der Mitarbeiter rechnen mit Maßnahmen, die das Abstandhalten an sehr frequentierten Orten ermöglichen. Dass künftig mehr in kontaktlose Interaktionen investiert wird, meinen 61 Prozent.


Mitarbeiter mehr wertschätzen
Doch die Bemühungen, eine bessere Experience zu schaffen, sollten sich nicht auf die Kunden beschränken. Im kommenden Jahr werden die Gastronomen einiges ändern müssen, um das „neue Bessere“ auch wirklich zu erreichen.


Warum? Weil sich nur 42 Prozent der Mitarbeiter im Reise- und Gastgewerbe von ihrem Arbeitgeber wertgeschätzt fühlen. Das ist branchenübergreifend einer der niedrigsten Werte überhaupt. Fast ein Drittel der Angestellten sagte in der August-Studie aus, ihre Arbeitsbedingungen hätten sich seit Beginn der Pandemie verschlechtert.


Aus diesem Grund sollten Restaurantbesitzer oder Geschäftsführer ihre Employee Experience einer kritischen Prüfung unterziehen – insbesondere, weil sich diese direkt auf die Customer Experience auswirkt.


Drei Tipps für Gastronomen

  1. Mitarbeiter befragen und auf das Feedback reagieren: Der Reise- und Gastronomiebereich ist der einzige Sektor, in dem die Beschäftigten ihre aktuellen Arbeitsbedingungen schlechter beurteilen als vor der Pandemie. Schon vor Corona waren sie die Arbeitnehmer, deren Meinung – dem eigenen Empfinden nach – beim Arbeitgeber am wenigsten zählte. Entsprechend sollten Geschäftsführer eine Kultur des Zuhörens und des
    Dialogs etablieren, um Lücken in der Employee Experience zu identifizieren und systematisch zu schließen. Nur so können sie bei ihren Mitarbeitern Loyalität und Vertrauen aufbauen.
  2. Neue Maßnahmen für den Umgang mit Kunden schaffen: Viele der jüngsten Customer-Experience-Änderungen, mit denen die Gesundheit der Gäste geschützt werden soll, haben auch die Employee Experience verbessert. Deshalb sollten Restaurantbesitzer weiterhin in kontaktlose Interaktionen und einen „Service mit Abstand“ investieren. So haben die Mitarbeiter das Gefühl, dass ihre Gesundheit immer einen hohen Stellenwert hat.
  3. Employee Experience auf die Prioritätenliste setzen: Während die meisten Branchen erwarten, dass die Employee Experience durch die Pandemie stärker als alles andere in den Mittelpunkt rückt, glauben dies nur 45 Prozent der Reise- und Gastronomiemitarbeiter. Arbeitgeber, die in ihre Belegschaft investieren – vor allem in die Mitarbeiter, die an vorderster Front stehen – sorgen dafür, dass diese ein stärkeres Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln. Restaurantbesitzer und Geschäftsführer müssen außerdem kommunizieren, wie sie sich während und nach Corona für ihre Mitarbeiter einsetzen, und für diese Aktionen werben. Den Angestellten sollte zudem vermittelt werden, dass sie von größeren Investitionen in Kunden-, Produkt- und Markeninitiativen direkt profitieren. Die Erwartungen an die Unternehmen sind in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Wer als Gastronom nach Corona wieder Kunden anlocken möchte, muss den Fokus auf einen zeitgemäßen Kundenservice und Employee Experience setzen.

Über den Autor Martin Meyer-Gossner, Customer Experience (CX) Solution Strategy Lead DACH bei Qualtrics
Martin Meyer-Gossner ist Customer Experience (CX) Solution Strategy Lead für die DACH Region bei Qualtrics. In seiner Funktion unterstützt er die Kunden des Experience-Management-Spezialisten bei der strategischen Konzeption und Ausarbeitung ihrer Experience-Strategie über sämtliche Touchpoints der Kunden hinweg. Er profitiert dabei von seiner langjährigen Erfahrung als strategischer Unternehmensberater, gefragter Sprecher und Moderator führender Digitalevents.