In einer Zeit, in der die Welt aus den Fugen gerät, ist es schwierig, die aktuelle Weltlage auszublenden. So geht es auch den Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin und Hotelier Daniel Charbonnier, die mit ihrem «Null Stern Hotel» seit 2008 immer wieder international für Aufsehen sorgen.

Null Stern Erfinder lancieren anti-idyllische Version ihres Hotel-Konzepts

Nun radikalisieren sie einmal mehr ihr Konzept mit einer neuen, anti-idyllischen Version eines Hotelzimmers, das wie als „Bildfehler“ vom Himmel gefallen ist – an einen Ort, den man höchstens in einem Film oder im Traum erwartet. Im Zentrum der Übernachtung steht nicht der Schlaf, sondern die Selbstreflexion über die aktuelle Weltlage – sie wird zum Statement für die Dringlichkeit notwendiger Veränderungen in der Gesellschaft.

Die neue Suite ohne Dach und Wände wurde in Komplizenschaft mit der Gemeinde Saillon (VS) umgesetzt. Sie befindet sich zwischen einer Tankstelle und einer Hauptstraße; der Mast mit den aktuell steigenden Benzinpreisen mutiert zum dekorativen Inventar des Zimmers. Dieses anti-idyllische Hotelzimmer im Freien inkl. Butlerservice ist ab sofort buchbar.

Ende Juni fand ein öffentliches Shooting statt, bei dem sich die Bevölkerung im anti-idyllischen Zimmer im Pyjama fotografieren lassen konnte.

Null Stern – Halbschlaf nutzen

«Mit Blick auf die aktuelle Weltlage ist es nicht Zeit, zu schlafen», sagen die beiden Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin. Dieses Jahr haben die Null Stern Erfinder deshalb eine „anti-idyllische“ Suite entwickelt, in der man den Halbschlaf nutzt, um nachzudenken und sich selbst in Frage zu stellen. Dieses Hotelzimmer, das sowohl faszinieren als auch verstören kann, soll uns alle wachhalten: Was ist Sicherheit? Was ist Luxus? Wie können wir Ressourcen schonen und unseren Energieverbrauch reduzieren? Im Kontrast zu dieser neuen, anti-idyllischen Suite ohne Dach und Wände bei der Tankstelle sind in der Landschaft von Saillon zusätzlich drei gewohnt idyllische, immobilienbefreite Zimmer installiert. Die vier Suiten sind vom 1. Juli bis zum September geöffnet. Eine Übernachtung inkl. Butlerservice kostet CHF 325.

Null Stern – ein endloser kreativer Prozess

Seit der Gründung von «Null Stern – the only star is you» im Jahr 2008 war die Kunst stets die treibende Kraft des kreativen Prozesses und Zentrum der konzeptuellen Weiterentwicklung. Diesen Sommer schlägt die Kunst wieder zu und ruft die anti-idyllische Version eines immobilienbefreiten Hotelzimmers ins Leben. «Die neue Null Stern-Version hinterfragt die Konsensnormen der Hotellerie und bietet Raum, um über die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder ökologischen Unsicherheiten der Welt, in der wir heute leben, nachzudenken», erklärt Daniel Charbonnier.

Null Stern als Spiegel der Gesellschaft

Seit der Entstehung des Konzepts «Null Stern» 2008 in einem Atombunker haben sich die drei Gründer, die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin und Hotelier Daniel Charbonnier, immer wieder von den grossen sozioökonomischen Veränderungen inspirieren lassen. Denn das Konzept fungiert als Spiegel der Gesellschaft: Von der Finanzkrise über den Klimawandel bis hin zum Krieg auf europäischem Boden wirft uns das Konzept «Null Stern» auf unsere tiefsten Ängste und Träume zurück (siehe Hintergrund im Kasten). «Kunst gibt die Freiheit, den Status quo zu überdenken. Sie hat es mir ermöglicht, die Grenzen der Hotellerie mit ihren vorgegebenen Normen zu überschreiten», sagt Hotelier Daniel Charbonnier.

Antithese zum Wettlauf um die Idylle

Durch die Verschmelzung von Kunst und Hotellerie haben es sich die drei Gründer zur Aufgabe gemacht, das Konzept «Null Stern» so weiterzuentwickeln, dass es stets auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert. Die neue anti-idyllische Suite ruft die Antithese zum Wettlauf um die Idylle aus. «Mit dem neuen Zimmer versuchen wir den Widerspruch des Menschen zwischen Ideal und Wirklichkeit zu thematisieren. Der Mensch ist zwar Teil der Natur, steht ihr aber gleichzeitig fremd gegenüber, indem er seine Bedürfnisse über die der Natur stellt», erklären Frank und Patrik Riklin. «Wenn wir so weitermachen wie bisher, könnte es bald mehr anti-idyllische als idyllische Orte auf der Welt geben», ergänzen die Riklin-Brüder.

Die St Galler Aktionskünstler und Zwillinge Frank und Patrik Riklin
Die St Galler Aktionskünstler und Zwillinge Frank und Patrik Riklin

Halb-Schlaf als Denk- und Reflexions-Inkubator

Die neue Version des «Null Stern Hotel» bietet Raum für Reflexionen – wie ein lebendiges Gemälde, in dem man eingeladen ist, Fragen zu stellen und seine Ideen zu teilen: Was ist Schönheit? Was ist Komfort? Was ist Sicherheit? Welche Energie nutzen wir morgen und zu welchem Preis? Wie kann der Tourismus ressourcenschonend sein? «Es ist uns wichtig, sowohl die
idyllischen Aspekte unserer Welt und ihrer Landschaften zu zeigen, als auch die Realitäten, mit denen wir alle heute konfrontiert sind. Wenn man es schafft, über die anti-idyllische Suite hinauszuschauen, findet man in der Ferne Schönheit und Gelassenheit», so Daniel Charbonnier. Die Riklin-Brüder Vertikaler Schlaf:

Die Schweizer Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin posieren im anti-idyllischen «Null Stern»-Hotelzimmer ohne Dach und Wände bei der Tankstelle von Saillon (VS). Die Riklin-Brüder sagen : «Mit Blick auf die aktuelle Weltlage ist es nicht Zeit, zu schlafen.» (Foto: Gianluca Colla) ergänzen: «Eine Übernachtung im anti-idyllischen Zimmer ist ein Investment in die eigene Selbstreflexion sowie in das unübliche Denken und Handeln. Große Veränderungen beginnen im Kleinen.»

Die Gäste können ihre Erkenntnisse unter der Matratze deponieren. «Die anti-idyllische Suite wirft uns auf unsere Zweifel und Unsicherheiten zurück. Ich hoffe, sie inspiriert die Gäste zum Nachdenken und Teilen ihrer Gedanken, die wir dann sortieren und zusammenstellen, um daraus in Zukunft lokale Aktionen zu entwickeln», erklärt Charles-Henry Thurre, Gemeindepräsident von Saillon. So wird der Aufenthalt zu einem Statement, das zum gesellschaftlichen Wandel beiträgt.

«Null Stern» und seine Geschichte

Im Jahr 2008 wurde das «Null Stern Hotel» in einem Atombunker in Sevelen (SG) von den Schweizer Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin, Atelier für Sonderaufgaben, gegründet. Nachdem sie sich mit Hotelier Daniel Charbonnier, Managing Director von Minds in Motion SA in Lausanne, zusammengetan hatten, verwandelten die drei Partner die Kunstinstallation in ein Hotelkonzept unter der internationalen Marke «Null Stern – the only star is you». Im Jahr 2009 wurde das erste Hotel in einem Atombunker in Teufen (AR) eröffnet. Sozioökonomischer Kontext: Finanzkrise, erste 7-Sterne-Hotels, Höhepunkt des Überkonsums und der Globalisierung.

NULL STERN - zero real estate suite in Saillon, Valais, Switzerland_2022 © Copyright Gianluca Colla
NULL STERN – zero real estate suite in Saillon, Valais, Switzerland_2022 © Copyright Gianluca Colla

2016 wurde die Freiluftversion des Konzepts «Null Stern – the only star is you» im Safiental (GR) mit einer immobilienbefreiten Suite ohne Dach und Wände eröffnet (Video). Zwischen 2017 und 2020 wurden weitere sogenannte «Zero Real Estate»-Suiten in verschiedenen Regionen der Ostschweiz installiert, darunter Appenzell, Toggenburg, St. Gallen-Bodensee, Heidiland, Thurgau, Schaffhausen und das Fürstentum Liechtenstein. Sozioökonomischer Kontext: Klimanotstand, Trend «Zurück zur Natur», Deglobalisierung, Degrowth.

Im Jahr 2022 reist das Projekt «Null Stern – the only star is you» zum ersten Mal in die Westschweiz und inszeniert vier immobilienbefreite Suiten in der Gemeinde Saillon im Wallis. Darüber hinaus ist eine der vier Suiten eine radikal neue Version, die als Reaktion auf den Zustand der heutigen Welt geschaffen wurde. Sozioökonomischer Kontext: Klimawandel, Krieg, explodierende Kosten für Energie und Grundnahrungsmittel, Unsicherheit.

«Null Stern – the only star is you» wurde mehrfach nominiert, u. a. als „Beste Innovation des Jahres“ bei den World Hospitality Awards 2009. Im Jahr 2010 zählte das Magazin GEO das Hotel zu den 100 besten Hotels in Europa. 2016 wurde das Konzept „Null Stern – the only star is you“ mit seinen «Zero Real Estate»-Suiten in New York und Hamburg zum „Trend 2017“ in New York und Hamburg erklärt. Im Jahr 2020 schrieb das Magazin Travel + Leisure «So haben Sie noch nie unter den Sternen geschlafen».

Moderner Butler: eine Schlüsselrolle und eine strenge Ausbildung

«Im Kontext des anti-idyllischen Zimmers hat der Butler noch eine zentralere Rolle, da er in einem Umfeld der Unsicherheit ein Gefühl der Sicherheit und des Wohlwollens vermittelt», sagt Hotelier Daniel Charbonnier. Der moderne Butler verkörpert die Essenz der Philosophie «Null Stern – the only star is you»: Er stellt den Menschen in den Mittelpunkt des Erlebnisses. Diese emblematische Rolle des Konzepts steht allen Mitgliedern der Gemeinschaft offen, die Teil der verschiedenen tableaux-vivants sein möchten, indem sie den Gästen unvergessliche Momente bescheren. Alle modernen Butler durchlaufen eine strenge theoretische und praktische Ausbildung vor Ort.

Moderne Butler erwerben nicht nur handwerkliche Fähigkeiten wie das Tragen eines Tabletts, während sie einen Berg hinaufklettern, oder das Beziehen von Betten bei Wind, sondern auch soziale Kompetenzen, die sich in ihrem Wohlwollen, ihrer Fähigkeit, den Service zu personalisieren, oder ihrem Willen, die Erwartungen jedes Gastes zu erfüllen, ausdrücken. Interessierte und weitere Informationen erhalten Sie telefonisch unter +41 27 602 11 11 oder unter www.saillon.ch