Nachhaltigkeit – Regionalität. Worte, die gerne aber auch inflationär im Munde geführt werden, wenn es um die Qualität von Lebensmitteln geht. Wie aber funktioniert eine nachhaltige Landwirtschaft? Können Tiere artgerecht und ökonomisch sinnvoll gehalten werden? Grund genug, um mit den Green Chefs in Kooperation mit dem Food Editors Club der Sache vor Ort auf den Grund zu gehen: Ortstermin zum Hofgang. Auf dem niedersächsischen Bauckhof https://www.bauckhof.de in Klein-Süstedt, einem kleinen Ort von knapp 300 Einwohnern in der Nähe von Uelzen, empfängt Yanic Arndt den Food Editors Club mit offenen Armen. Im Food Editors Club stehen engagierte Food Journalisten und Gastronomen, die als Green Chefs – einem Zusammenschluss von gastronomischen Betrieben, die für Nachhaltigkeit, Verantwortung und Transparenz in der Gastronomie ein.

Der Hofgang beginnt, anders als erwartet, mit einem Gang ins Büro. Das macht Sinn, denn hier kann man sich sammeln, erste Eindrücke austauschen und dann dem kurzen, so faktenreichen wie launigen Vortrag von Yannic Arndt zuhören. Die Bauckhof-Höfe beschäftigen zusammen zwischen 420 und 450 Mitarbeiter, wovon 50 hier vor Ort in Klein Süstedt angestellt sind. Gemeinsam bewirtschaften sie auf diesem Hof eine Fläche von ca. 100 Hektar (1ha=10.000qm).

In der konventionellen Landwirtschaft kann ein Landwirt die gleiche Fläche allein bewirtschaften. Allerdings benötigt er dazu entsprechende konventionelle Unterstützung in Form von Gift- und Düngestoffen. Gleichwohl dient die Größe von 100ha (1.000.000qm) als Minimum für eine Existenzgrundlage eines Landwirts im Vollerwerb.

Der Vergleich hinkt in einem Punkt: Die konventionelle Landwirtschaft ist mittlerweile in der Regel von der Viehwirtschaft entkoppelt, da diese anderen Anforderungen an einen Landwirt stellt. Auf dem Bauckhof wird Vieh- und Landwirtschaft traditionell einheitlich verstanden, denn die Tiere garantieren die nachhaltige Düngung der Böden.

Allein die Nennung der Bewirtschaftungsfläche macht deutlich, dass hier große Maschinen auf großen Flächen zum Einsatz kommen müssen und dass nichts dem Zufall überlassen werden darf, damit die Ernte ohne Verluste eingefahren werden kann.

Freilaufende Hühner und eine Horde Gockel

Weiter geht es zur nächsten Station. Hier laufen Hühner frei rum, auf 10 Hühner kommt in den Herden je ein Hahn. Stress scheint das Federvieh keinen zu haben, dafür aber jede Menge Auslauf unter den schattenspendenden Pappeln rund um die mobilen Hühnerställe.

Weiter geht’s zu einer Hahnherde. Ganz in Ruhe stolzieren sie in Kohortenstärke hin und her, bis auf einmal ein zu weit gelaufenes Huhn auftaucht. Plötzlich erfahren alle Anwesenden, wie es zu dem Sprichwort gekommen sein muss: Sich aufführen wie eine Horde Gockel.

Das Gebalze und Gegackere ist so ohrenbetäubend wie lachhaft schön anzusehen. Allein dafür schon sollte man das auf dem Bauckhof seit vielen Jahren etablierten Bruderhahnkonzept unterstützen – ganz abgesehen vom fatalen, aber etablierten Irrsinn der Bruderhahntötung im industriellen Maßstab.

Nachhaltigkeit beginnt mit den Böden

Bei der Ortsbegehung fallen die Böden aus nachhaltiger Landwirtschaft im Unterschied der versandeten Böden um sie herum direkt ins Auge, denn auch in diesem relativ heißen und niederschlagsarmen Sommer haben sie Feuchtigkeit gespeichert und sind voller Mikroorganismen. Die Erde des Ackers, auf dem gerade Kartoffeln geerntet worden sind ist weich, feucht und aromatisch.

Ein Blick auf einen benachbarten Acker aber gibt Anlass zu -Sorge: Hier verdorrt das Kartoffelkraut, die Pflanzen sehen aus wie tot. Und in der Tat: Sie wurden kurz vor der Ernte mit Glyphosat behandelt, denn das Mittel tötet alle kulinarisch wertlosen Pflanzenteile ab. So können dann die Kartoffeln problemfreier geerntet werden. Das Lebewesen Kartoffelpflanze hat hier schon vor der Ernte verloren. Die Frage ist, ob man solche Kartoffeln seinen Gästen anbieten möchte.

„Siegt die Profitoptimierung, verliert das Lebewesen“ – ein Satz aus dem Onlineauftritt des Bauckhof der sich auch auf uns als Konsumenten bezieht. Denn nur gesunde Lebensmittel können auch die Gesundheit der Konsumenten fördern. Der Einsatz von Pestiziden wird diesen Aspekt so wenig fördern, wie der Einsatz von Mineraldüngern die Qualität der landwirtschaftlich genutzten Böden befördert.

Hier werden in konventioneller Landwirtschaft durch Monokulturen die Böden ausgelaugt. Es wird versucht durch Mineraldünger nachzuhelfen. Aber die Mineralien im Boden stoppen nicht die Versandung. Versandete Böden aber können kein Wasser halten – sie führen zur Verwüstung ganzer Landstriche mittlerweile auch bei uns.

Mikroorganismen aber sorgen für einen langfristige arbeitenden Feuchtigkeitsspeicher: Wichtiges Indiz – Regenwürmer im Boden. Das wurde hier im Baukhof schon 1931 erkannt.

Alle kennen die Probleme, mit denen die Landwirtschaft zu kämpfen hat: Ausgelaugte Böden treffen auf zunehmende Trockenheit. Oft werden Lebensmittel in riesigen Monokulturen angebaut, um dann über weite Strecken quer durch Europa gesendet zu werden.

Die Vorgaben des Großhandels verlangen nicht nur eine termingerechte Sicherstellung der vereinbarten Liefermenge – unabhängig von Witterungsbedingungen und schwankenden Ernteerträgen – sondern auch den Ausschluss großer Teile der Ernte, den sogenannten Missfits.

Diese Rahmenbedingungen fördern keine nachhaltige Landwirtschaft, im Gegenteil: Sie führen zum verstärkten Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln, der zunehmenden Auslaugung der Böden und der Landwirte, die zum Einsatz von Giftstoffen gezwungen sind, um Erntemengen in gewünschtem Maß zur vereinbarten Zeit produzieren zu können. Doch für sie bleibt wenig Ertrag, die Profitmaximierung fließt an Konzerne und Handel.

Klimawandel und großflächige Bewirtschaftung unter Verzicht von Biotopen, wie sie Walmhecken und Bäume bieten, stellen hierbei ein so ernstes Problem für zukünftige Generationen an Landwirten dar, wie die Reduzierung der landwirtschaftlichen Betriebe durch stetige Vergrößerung der landwirtschaftlichen Fläche, die durch eine Person in konventioneller Landwirtschaft bestellt werden kann. 

Die Rolle der Green Chefs

Doch muss das so sein? Können Gastronomen hier für eine Veränderung sorgen? Wenn sie als gute Gastgeber ihren Gästen mehr Gutes bieten wollen als nur günstige Preise, können hier als Vorbilder agieren, die mit geschmackvoller Zubereitung erstklassiger Lebensmittel und den Geschichten dahinter für ihre Lebensmittelproduzenten werben können.

Und so, wie ein Koch, der von seinem Handwerk überzeugt ist, Gäste gerne auch in die Küche schauen lässt, sollte ein Landwirt interessierte, potenzielle Kunden in seinen Hof schauen lassen. Denn Einblicke hinter die Fassaden fördern Fragen und Verständnis gleichermaßen.

Wie aber funktioniert nachhaltige Landwirtschaft? Was macht sie wertvoll? Fragen, die Gastronomen wie Endverbraucher umtreiben, doch seltener werden Argumente als prinzipielle Glaubens-oder Ansichtssachen ausgetauscht. Die einen wollen von biologischer Landwirtschaft nichts wissen und für die anderen kommt nichts anderes in Frage. Zeit also, sich selbst ein Bild zu machen und Argumente zu sammeln.

Bauckhof

Der Bauckhof ist die Oberbezeichnung für insgesamt drei Höfe und eine Mühle. 1932, als man feststellte, dass die Verwendung von Kunstdünger dazu führte, dass die Böden keine Regenwürmer mehr beherbergen, begann man, auf nachhaltige Landwirtschaft umzusteigen. Seit 90 Jahren wird hier nach biologisch-dynamischen Kriterien Landwirtschaft betrieben. Zu diesem ganzheitlichen Konzept gehört auch die artgerechte Haltung von Nutztieren, um zum einen auf den Höfen auch den Dünger für die Felder zu erwirtschaften, zum anderen um die Zucht von erstklassigem Geflügel, samt Bruderhahnkonzept zu betreiben.

https://www.bauckhof.de/muehle-hoefe/bauckhof-klein-suestedt/landwirtschaft/tierhaltung/bruderhahn/

Fazit

Essen ist genau genommen ein agrarischer Akt. Kommen wir durch das Kochen wieder zurück zur Landwirtschaft, zur Ethik und zu einem gesunden Kreislauf. Aufmerksamkeit auf den Tellern sollten den einzelnen Lebensmitteln gelten. Denn wie wusste es schon Eckart Witzigmann:

Das Produkt ist der Star. Aber er wusste auch – Gut Kochen allein reicht nicht

Nie war es einfacher, auf Nachhaltigkeit umzusatteln. Warum: Die Preisexplosion der konventionellen Lebensmittel ist wesentlich drastischer als die der nachhaltig erzeugten Lebensmittel. 

Wissen um die Herkunft der Lebensmittel ist ein Pfund, eine Geschichte und ein großer Vorteil – in Sachen: Klima, Einkauf, Nachhaltigkeit und Gästebindung.