Auch der beste, fantasievollste Salat ist ohne Dressing ein gastronomisches Nichts. Erst das Dressing macht aus dem Salat einen Salat. Und wenn es ein besonders anspruchsvolles Dressing ist, wird der Salat zum wahrhaft kulinarischen Erlebnis. Das klassische Dressing, die Vinaigrette, besteht im Prinzip nur aus Essig und Öl – aber welche Unterschiede gibt es da!

Alles Essig?

Crostini mit Blattsalaten und Ziegenkäserondellen

Crostini mit Blattsalaten und Ziegenkäserondellen

Vorbei die Zeiten, als der Essig noch aus billigem Branntwein gebraut wurde und nicht – wie heute – aus hochwertigen Zutaten komponiert wird. Dabei ist der Essig schon seit rund 5000 Jahren ein Wegbegleiter der menschlichen Kulturgeschichte. Aber selbst als Otto Normalververbraucher in den Wirtschaftswunder-50-er-Jahren Italien als Reiseziel entdeckte, hatte er als Souvenir höchstens billigen Chianti im Kofferraum, aber keinesfalls toskanischen Weinessig.

In den 90-ern erfreuten plötzlich „Aceto balsamico tradizionale di Modena“ aus dem eingekochten Most süßer Trauben und viele andere Variationen unsere Sinne. Ob aus Rotwein, Weißwein, Sherry oder Obst – Essig verlangt inzwischen Kennerschaft, ähnlich dem Wein. Dass Weinessig den Salat perfekt ergänzt, gehört heute ebenso zum Allgemeinwissen, wie die Tatsache, dass milder Apfelessig zu Geflügel- oder Obstsalat passt. Sherryessig ­– wer wüsste es nicht? – ist wie gemacht für Meeresfrüchte, Feld- und Bittersalate, während der fruchtig-herbsüße Himbeeressig an Linsen, rohe Champignons oder Radicchio gehört.

Olivenöl – erster unter den Besten

Auf eine weitaus längere Karriere als Begleiter des Menschen kann dagegen das Speiseöl zurückblicken: So begann schon die Menschheitsgeschichte mit einem Ölzweig; er zeigte Noah an, dass die Welt nun bewohnbar sei. In der weiteren Folge diente Öl der Salbung von Königen und als göttliche Opfergaben. Mit Öl heilte man mancherlei Gebrechen … wann die Menschheit aber wirklich Geschmack am Genuss von Öl fand, ist nicht belegt. Vermutlich fand eines Tages ein Gourmet (war es Lukull ?) heraus, dass Öl Speisen feiner, schmackhafter und besser verdaulich macht – und so ist es bis zum heutigen Tag.

Die Glaubensfrage, wer das beste Olivenöl produziert, ist so alt wie das Öl selbst. Die Antwort fällt schwer: Um den Anspruch auf das feinste kaltgepresste „native Olivenöl extra“ (EU-Bezeichnung) streiten sich seit Generationen Bauern desselben Dorfes, bringt ganze Regionen gegen einander auf und ist rund ums Mittelmeer sogar grenzüberschreitend: Italien contra Spanien, Frankreich contra Griechenland und so weiter.

Übrigens: Auch bei uns schwört fast jeder Koch und Gastro-Kritiker von Rang auf „sein Öl“, das natürlich das jeweils beste ist. In allen Fällen handelt sich dabei natürlich um Olivenöl – eine Besonderheit neben den aus Keinem und Kernen gewonnenen Sesam-, Lein-, Walnuss, Sonnenblumen-, Kürbiskern- und Mandelölen. Selbstverständlich ist auch Walnussöl eine herrlich aromatische Bereicherung für jede Vinaigrette, ebenso wie das fein-herbe Traubenkernöl oder dunkelgrüne Kürbiskernöl, das Salaten und Gemüsen die feine Art beibringen kann – doch das aus ganzen Oliven gepresste Öl steht außerhalb jeder Diskussion. Es gilt als idealer Geschmacksträger und ist (mit mehr als 70 Prozent ungesättigten Fettsäuren) zudem ernährungsphysiologisch ein wahrer Heilsbringer.

Wer das richtige Händchen für die feinen Öle hat, erntet für gewöhnlich Lob vom Kenner – und das geht selbst dem Profi-Koch runter wie Öl…