Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kämpft sich das Gastgewerbe aus der Krise. Dank der seit April anziehenden Nachfrage wächst bei vielen Betrieben Zuversicht. Der Neustart der Branche wird allerdings erschwert durch die massiv steigenden Kosten und wachsenden Unsicherheiten in Folge des Ukraine-Krieges. „Die aktuellen Herausforderungen könnten kaum größer sein“, sagte Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband), auf der Pressekonferenz des Verbandes am Dienstag in Berlin. Die Branche brauche jetzt Planbarkeit und verlässliche Perspektiven. „Ich erwarte, dass beste Pandemie-Vorsorge für den Herbst getroffen wird, erneute Beschränkungen und Schließungen werden viele Unternehmen nicht überleben. Die Zukunftssicherung der Betriebe und Arbeitsplätze muss jetzt Priorität haben“, so Zöllick.
Corona-Bilanz
Nach zehn Wachstumsjahren habe die Corona-Pandemie die Branche in ihre schwerste Krise der Nachkriegszeit gestürzt, berichtete Zöllick. „Neun Monate Lockdown und weitreichende Einschränkungen haben tiefe Spuren hinterlassen – bei den Unternehmern wie Mitarbeitern.“ Für die Krisenjahre meldete die Branche Umsatzausfälle historischen Ausmaßes. 2020 brach der Umsatz laut dem Statistischen Bundesamt gegenüber 2019 um real 39,0 Prozent (nominal -36,5%) ein. Das Jahr 2021 fiel mit realen Einbußen in Höhe von 40,1 Prozent (nominal -36,1%) im Vergleich zum Vorkrisenjahr sogar noch schlechter aus. Und auch im ersten Quartal 2022 musste das Gastgewerbe noch einen realen Umsatzverlust von 32,5 Prozent (-25,2%) verkraften. „Von März 2020 bis 2022 hat die Branche damit nominal 74,9 Milliarden Euro verloren“, so Zöllick.
Die Pandemie traf auch den gastgewerblichen Jobmotor mit voller Wucht. „Verheerende Umsatzeinbrüche, monatelange Kurzarbeit und Unsicherheiten – trotz größter Anstrengungen gelang es nicht überall, die Mitarbeiter zu halten“, erläuterte der DEHOGA-Präsident. Der höchste Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurde im Mai 2021 nach dem langen Lockdown mit 14,5 Prozent registriert, das entspricht mehr als 160.000 Mitarbeiter weniger als im Mai 2019. Erfreulich sei indes, dass nicht wenige Mitarbeiter zurückkehrten und auch wieder neue Mitarbeiter gewonnen werden konnten, betonte Zöllick. Im März dieses Jahres zählte die Bundesagentur für Arbeit 1.004.700 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Branche. Das sind 63.699 weniger als im März 2019 (-6,0%), aber bereits rund 61.000 mehr als im März 2021. Dramatische Rückgänge gab es auch bei den Azubizahlen. „Aktuell erlernen fast 41.500 junge Menschen einen unserer sechs Ausbildungsberufe. 2019 waren es gut 51.000“, teilte Zöllick mit.
„Die Zahlen belegen: Mit der Reise-, Kultur- und Veranstaltungswirtschaft gehört das Gastgewerbe zu den von der Corona-Krise hauptbetroffenen Branchen“, fasste Zöllick zusammen und betonte die Bedeutung der staatlichen finanziellen Unterstützung. „Keine Frage – die Kurzarbeiterregelungen und Wirtschaftshilfen waren richtig, konsequent und überlebenswichtig.“ Dafür sei die Branche dankbar. Ohne diese hätten sicherlich 70.000 Unternehmen nicht überlebt und die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt wären noch gravierender gewesen.
Hoffnungen liegen auf dem Deutschlandtourismus
Hoteliers und Gastronomen setzen jetzt auf eine gute Sommersaison. „Der Nachholbedarf ist groß“, erklärte Zöllick. „Die Menschen freuen sich, wieder ausgehen, reisen und genießen zu können.“ Viele Menschen hätten Deutschland als Reiseland neu entdeckt. In vielen Regionen gebe es berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass die Betriebe in diesem Jahr an das Umsatzniveau von 2019 herankämen. Die touristische Nachfrage erhole sich schneller als die geschäftliche, das hätten auch die vergangenen Sommer gezeigt. „Messen, Firmenveranstaltungen und Geschäftsreisen finden auch wieder statt, aber noch nicht auf dem Vorkrisenniveau.“
Aktuelle Herausforderungen sind groß
„Allen Betrieben zu schaffen, machen die explodierenden Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Personal“, so Zöllick weiter und verwies auf die Ergebnisse der jüngsten DEHOGA-Umfrage. Danach bereiteten den Betrieben die Energiekosten (85,6%), die Lebensmittelpreise (85,4%) und die Personalkosten (67,0%) allergrößte Sorgen. Besonders bitter sei zudem, dass gute Nachfrage oft nicht bedient werden könne, da Mitarbeiter fehlten. Anfang Juni beklagten rund 60 Prozent der Betriebe einen akuten Mitarbeitermangel.
Appell an die Politik
Angesichts der gewaltigen Herausforderungen für das Gastgewerbe forderte Zöllick von der Politik entschlossenes Handeln und die richtigen politischen Weichenstellungen. Neue Belastungen und Reglementierungen für die Betriebe dürfe es nicht geben.
Die Branche erwarte, dass jetzt eine bestmögliche Pandemie-Vorsorge für das Winterhalbjahr getroffen werde. Hinzu käme nun, eine sichere und finanzierbare Energieversorgung zu gewährleisten.
Priorität haben zudem Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung. „Wir benötigen dringend mehr Mitarbeiter aus dem Inland wie Ausland.“ Deshalb müsse die Arbeitskräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten zügig ausgeweitet sowie Prozesse und Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Längst überfällig sei eine echte Offensive für die duale Ausbildung.
Zentrale Maßnahme zur Zukunftssicherung der Branche sei laut Zöllick die Beibehaltung der Mehrwertsteuersenkung. Die Maßnahme war zur Stärkung der Gastronomie zum 1. Juli 2020 eingeführt worden und gilt noch bis Ende des Jahres. „Die 7% Mehrwertsteuer muss bleiben“, appellierte Zöllick an die politischen Entscheider. „Mit der Entfristung werden die dringend benötigten Perspektiven geschaffen. Gleichzeitig wird damit die längst überfällige steuerliche Gleichbehandlung von Essen hergestellt.“ Mehr denn je käme es darauf an, der Branche, den Unternehmern und Mitarbeitern verlässliche Perspektiven zu geben und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu stärken. Nicht nur, weil das Gastgewerbe mit 200.000 Unternehmen und zwei Millionen Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, Jobmotor und Absatzmarkt sei, sondern auch von hoher gesellschaftlicher Relevanz, die wohl nie deutlicher wurde als in den Pandemiemonaten, so Zöllick abschließend.